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© Sigi Müller

Interview: Hep Monatzeder will nicht mehr in den Landtag: „Nicht rausgetragen werden“

Hep Monatzeder im Gespräch mit der Abendzeitung in der Au.
Interview mit Felix Müller von der AZ

Interview mit der Abendzeitung

Hep Monatzeder will nicht mehr in den Landtag: „Nicht rausgetragen werden“

Ex-Bürgermeister Hep Monatzeder will nicht mehr für den Landtag kandidieren. Ein sommerliches Gespräch vor dem Abschied – über die Verdienste der 68er, die Au im Wandel und Senioren am Schlagzeug.

München – Hep Monatzeder will sich im La Sophia treffen, er wohnt gleich um die Ecke. In dem Café gibt es Platz für Kinder zum Spielen, Mütter mit viel Zeit und genug Geld verbringen ihre Nachmittage hier, wo vor Jahren noch ein ganz normaler kleiner Schlecker war. Ja, die Au ist in Veränderung, längst kein Kleine-Leute-Viertel mehr.

 

2006 war das noch ein bisserl anders, damals ist Hep Monatzeder hergezogen. Doch um 11 hat das La Sophia noch zu. Monatzeder steht vor verschlossenen Türen. Bis nächstes Jahr sitzt der Ex-Bürgermeister (71) noch im Landtag – und hat offenbar so viel zu tun, dass ihm noch gar nicht aufgefallen ist, dass das Café vormittags nicht offen hat.

Einfach auf einer Parkbank in den Isarauen mitten in der Stadt im Grünen zu sitzen, ist aber auch nach seinem Geschmack. Ein Gespräch über das Fazit seiner Jahrzehnte in der Politik, diese jungen Leute im Landtag – und die Frage, was der Rentner Monatzeder plant.

AZ: Herr Monatzeder, man verbindet Sie in der Stadt mit dem einen Windrad im Norden, mit der renaturierten Isar, Radwegen, dem CSD. Zu Ihrer Zeit alles Anliegen einer Fünf-Prozent-Partei, heute große Themen. Manchmal neidisch auf die aktuelle Rathaus-Garde?
HEP MONATZEDER: Nein, ich bin nicht neidisch, ich freue mich darüber, dass „meine“ Themen heute die Aufmerksamkeit haben, die sie schon vor 20 Jahren verdienten. Es war damals schon klar, dass es nicht funktionieren kann, wie wir mit unserer Welt umgehen.

„Alles muss heute so schnell gehen. Es gibt zu viele Schnellschüsse“

Der langjährige Gitarrist Ihrer Band, Dieter Reiter, fände gut, wenn sich Gesetze so ändern, dass er bis 73 OB bleiben kann. Sie scheinen sich selbst ein bisserl schwergetan zu haben mit dem Aufhören – also verstehen Sie ihn da?
Da muss ich schon eine persönliche Vorbemerkung machen!

Bitte.
Ich wollte eigentlich nach meiner Stadtratszeit aufhören. Ein Landtagsmandat gehörte nicht zu meiner persönlichen Lebensplanung. Aber mich haben namhafte Grüne gefragt, ob ich nicht in Pasing antreten will. Das war spannend, weil der Seppi Schmid, mein Bürgermeister-Nachfolger, da auch angetreten ist. Und so war es ein Bürgermeister-Duell, das hat mich gereizt.

Und Dieter Reiter?
Das scheint bei Münchner Oberbürgermeistern überhaupt der Fall zu sein, dass sie sich in dieser Rolle so wohlfühlen, dass sie, solange es irgendwie geht, weitermachen. So war das bei Kronawitter, so war es bei Ude und so ist es nun wieder.

Verstehen Sie junge Leute, die auch mal ein bisschen mit den Augen rollen über die alten Männer, die einfach nicht aufhören wollen mit der Politik?Ja, das verstehe ich gut. Weil Themen manchmal neu angepackt werden müssen. Das sieht man jetzt beim Klima. Da gibt es eine junge Bewegung, die mit radikalen Forderungen an die Politik rangeht. Kompromisse funktionieren nicht mehr, das finde ich richtig – mit dem Klima lässt sich nicht verhandeln. Wir haben uns schon viel zu viel Zeit gelassen.

Sie sitzen mit vielen jungen Abgeordneten im Landtag. Wovon sind Sie bei denen irritiert – ständig am Smartphone oder doch eher Debatten um geschlechtergerechte Sprache?
Die größten Probleme habe ich mit den Sozialen Medien, das liegt an meinem Alter. Da verstehe ich einfach vieles nicht mehr, ich arbeite noch viel mit Papier. Da sind die Jungen mir meilenweit voraus. Es ist schön, mit jungen Leuten zusammenzuarbeiten. Die haben Esprit, neue Ideen.

 „Manchmal bleibt  zu wenig Zeit, um über ein Thema vertieft nachzudenken“

Aber?
Aber manchmal bleibt einfach zu wenig Zeit, um über ein Thema vertieft nachzudenken. Deshalb gibt es manchmal Schnellschüsse, die man dann nicht mehr eingefangen kriegt. Dann muss man Sachen verteidigen, die man gar nicht vertreten würde, wenn man vielleicht noch eine Nacht mehr darüber geschlafen hätte. Es ist schade, dass diese schnelle neue Welt das erfordert.

Beim CSD waren 400.000 Leute – waren Sie auch da?
Nein, diesmal nicht.

Wie war Ihr allererster?
Ich erinner mich an die Zeit, als es noch gar keinen großen CSD gab, aber bei mir im Büro einen Runden Tisch „Schwule und Lesben“, heute würde man LGBTQIA+ sagen. Mir ist dann gelungen, dieses Format in die Verwaltungsstrukturen einzubauen. Und die CSDs wurden von Mal zu Mal größer. Wenn ich das jetzt sehe, freue ich mich immer noch.

Ist der CSD noch politisch?
Natürlich. Er ist weiter nötig und immer politisch.

Wir sitzen hier in der Au, alle lieben die renaturierte Isar. Vom Viertel her gedacht, hat sie aber auch negative Aspekte. Die attraktive Isar hat zu steigenden Mieten in der Nachbarschaft beigetragen, oder?
Ja, sicher. Ein Fluss mitten in der Stadt mit so vielen Möglichkeiten zur Freizeitnutzung steigert natürlich die Attraktivität. Das ist so. Aber eine Stadt ist ein dynamischer Ort, der sich weiterentwickelt. Für die Mieten muss man andere Instrumente ergreifen, deshalb diskutieren wir ja das Bodenwertrecht oder Erhaltungssatzungen. Deshalb keine Fortschritte an der Isar zu machen, wäre absurd gewesen.

Sie sind 2006 in die Au gezogen, damals noch eine deutlich einfachere Gegend. Hat es auf den Straßen noch nach Kohleöfen gerochen?
Ich habe 2005 meine Wohnung gekauft. Es hat vor allem sehr nach Brauerei gerochen. Auch in der Wohnung. Schon frühmorgens hat man Paulaner in der Nase gehabt. Das gibt es nicht mehr.

„Die Wertschätzung für die Isar fehlt den Besuchern oft“

Wie hat sich die Au seitdem entwickelt?
Das Viertel ist viel lebendiger geworden, viel jünger. Die internationale Gastroszene hier liebe ich besonders. Vor allem die Schanigärten, die jetzt hoffentlich ein fester Bestandteil sind, haben das weiter aufgewertet. Ich finde: Die Au ist ein ganz, ganz tolles Viertel.

Dem Paulaner-Areal können Sie wahrscheinlich wenig Positives abgewinnen, oder?
Jein. Städtebaulich, ökologisch und sozial hätte ich persönlich mir etwas anderes gewünscht. Es braucht neue Wohnungen in der Stadt, keine Frage – aber diese hier sind zu hochpreisig. Dieses Übel müsste man grundsätzlich packen und die Bodenpreise in den Griff bekommen.

Was ist heute Ihr Lieblingsort in der Au?
Das kommt drauf an.

Zum Beispiel?
Ich sitze zum Beispiel sehr gerne in der Fattoria, da trifft man viele Leute aus der Nachbarschaft. Da trinke ich einen Aperol Spritz oder ein schönes Glaserl Weißwein. Ansonsten freue ich mich natürlich an der renaturierten Isar vor der Haustür. Da gehe ich gern spazieren – aber lieber unter der Woche, wenn es nicht so voll ist.

Was läuft schlecht an der Isar?
Die Wertschätzung für dieses Stück Natur fehlt oft. Die Leute lassen einfach ihren Krempel liegen, das sind Erscheinungen dieser Konsum- und Wegwerfgesellschaft.

Sie sind fast Anwohner: Laufen Sie von daheim den Giesinger Berg rauf zu Löwen-Heimspielen?
Ich laufe generell fast immer zu Fuß. Das gilt auch für meinen Arbeitsweg, ich gehe zum Landtag, ich laufe gerne zum Viktualienmarkt. Und natürlich auch rauf auf den Giesinger Berg.

„Ich selbst war nie für den Stadion-Abriss“

In Ihrer Amtszeit war der Plan, das Stadion abzureißen. Im Rückblick eigentlich unglaublich, oder?
Ich selbst war nie dafür.

Aber den Plan gab es trotzdem.
Im Rückblick kann man das überhaupt nicht mehr verstehen.

Wie erklären Sie die damalige Diskussion im Rückblick?
Das Verständnis, dass es sich um ein Münchner Wahrzeichen handelt, war nicht so vorhanden. Es wurde nach schnellen und möglichst einfachen Lösungen für die immer drängendere Wohnungsnot gesucht.

Sie wollen nächstes Jahr aufhören mit der Politik. Wie dürfen wir uns einen typischen Monatzeder-Rentner-Tag vorstellen?
Ein bisschen Politik wird immer dabei sein. Ich werde mich den Themen widmen, die ich auch im Landtag bearbeitet habe, vor allem Entwicklungszusammenarbeit und Nachhaltigkeit. Ich setze mich für den Erhalt der Korallenriffe ein und engagiere mich im Kampf gegen Hunger und Armut. Und ich freu mich drauf, wieder mehr Zeit für die Familie zu haben.

Klingt nicht, als wären die Rentnertage von klassischen Freizeitbeschäftigungen geprägt.
Ich werde auch bewusste Auszeiten nehmen und wieder reisen. Ursprünglich wollte ich auf dem Landweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Georgien über Usbekistan und Kasachstan bis Indien. Wie es ausschaut, wird das wegen des schrecklichen Kriegs in der Ukraine nicht möglich sein. Aber ich werde sicher andere Möglichkeiten und Orte finden, um zu entspannen.

„Eine Grüne im KVR? Ja, das ist eine späte Genugtuung“

Zu Ihren Zeiten wurde viel über das Reisebüro Monatzeder im Rathaus gespottet. Heute ist eher das Gegenteil der Fall, jeder Politiker muss sich unheimlich rechtfertigen für jede Reise. Gefühlt ist die Stadt-Politik kaum noch unterwegs. Droht sich Politik so zu verzwergen, provinziell zu werden?
Natürlich muss man abwägen, aber ja – das kann passieren. Reisen bildet, es schärft die Sinne, öffnet den Geist und das Herz. Viele meiner Ideen für München sind mir bei Reisen in andere Städte gekommen. Städte sind lebendige Möglichkeitsräume, die sich durch die Erfahrungen, Pläne und Ideen ihrer Bürgerinnen und Bürger stetig weiterentwickeln. Gute Stadtpolitik braucht Inspiration und Austausch.

Warum hören Sie eigentlich auf, mit der Parteipolitik?
Ich möchte nicht aus dem Landtag rausgetragen werden. Ich will selbst bestimmen, wann ich aufhöre. Es ist an der Zeit die Jüngeren ranzulassen. Und die politische Arbeit endet ja nicht mit dem Mandat.

Hep Monatzeder, sind Sie der allerletzte Münchner Alt-68er, der noch in Amt und Würden ist?
Ich glaube, es gibt schon noch ein paar. Aber ich bin sicher einer der Allerletzten.

Was war das größte Verdienst Ihrer Generation für München und sein Lebensgefühl?
Wir haben den Konservatismus dieser Stadt schon etwas entlüftet. Wir haben die Debatten verändert.

Eine späte Genugtuung, dass nun eine grüne Frau das KVR leitet?
Ja, das hätte man sich nie vorstellen können. Selbst unter den SPD-OBs saßen ja meist noch CSUler im KVR. Die Stadt und somit auch ihre Politik sind ganz klar liberaler geworden, urbaner, jünger, vielfältiger und damit auch weiblicher.

Letzte Frage: Der Grüne Monatzeder hört auf, der Schlagzeuger Monatzeder macht aber schon noch weiter?
Der macht auf jeden Fall weiter! Leider habe ich da zwei Jahre Coronapause gehabt, eine tolle Band ist zerbrochen,

Nicht die mit dem OB?
Nein, das war ja mehr eine Spaßband. Das andere war eine internationale, professionellere Truppe. Latino-Jazz mit einer Spanierin, einem Weißrussen und einem aus Venezuela.

Und Hep Monatzeder.
Ja, einem Schlagzeuger aus Niederbayern. Das war einfach eine geile Band!

(Felix Müller)


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