Bayerische Entwicklungspolitik
Prioritäten neu setzen
Alle Jahre wieder – meist im Herbst – debattiert der Landtag die bayerische Entwicklungspolitik. Anlass dafür ist der jährliche entwicklungspolitische Bericht der Söder-Regierung. Die große Neuerung des diesjährigen Berichtes gegenüber den Vorjahren ist, dass er erstmals etwas detaillierteren Einblick in die größeren Projekte der Staatskanzlei bietet. Das ist sehr positiv, erlaubt es doch eine fundiertere Auseinandersetzung mit der Entwicklungszusammenarbeit Bayerns.
Und wir Landtags-Grüne hätten da durchaus ein paar Fragen! Zum Beispiel: wie werden die tatsächlichen Bedarfe der lokalen Bevölkerung in der Planung der Projekte berücksichtigt, sprich: tun wir das richtige, wie relevant sind die Projekte? Ebenso bedeutend ist auch die Nachhaltigkeit der Projektwirkungen: Wer wartet und pflegt etwa gebauten Brunnen nach Projektende? Wie kommen Bauern auch in Zukunft an besseres Saatgut oder produktivere Hühner – können sie sich selbst damit versorgen, oder werden sie abhängig von Saatgutherstellen und Züchtern? Bislang legt die Söder-Regierung kaum ein Augenmerk auf diese Fragen, dabei sind sie alles andere als trivial: sie sind ganz entscheidend dafür, ob das Geld der bayerischen Steuerzahler*innen einen nachhaltigen Nutzen erfährt!
Seit Jahren erweckt die Söder-Regierung den Eindruck, sie betreibe im großen Stil Entwicklungszusammenarbeit – Stichwort „Bayerisches Afrikapaket“ und „Bayerisches Afrikabüro“. Die Realität ist: wir beobachten einen von Jahr zu Jahr immer weiter anwachsenden Berg von Restmitteln im entsprechenden Haushaltstitel.
Am Ende des letzten Jahres waren es 9,5 Mio. Euro, die wieder nicht ausgegeben werden konnten. Die Söder-Regierung ist ihren ambitionierten Plänen offensichtlich nicht gewachsen: der Aufwand für eine kompetente internationale EZ wurde unterschätzt und es wurde versäumt, die nötigen Strukturen und Kapazitäten zu schaffen. Da sollte sich die Regierung ehrlich machen, ihre Prioritäten überdenken und klar herausstellen, was genau der Mehrwert einer „bayerischen“ Entwicklungspolitik auf Landesebene ist.
Wie das aussehen könnte? Aus unserer Sicht sollte es auch weiterhin Projekte im Globalen Süden geben, keine Frage – diese müssten aber stärker als bisher mit bayerischem Knowhow und insbesondere mit der bayerischen Zivilgesellschaft bedarfsorientiert und nachhaltig umgesetzt werden. Deutlich wichtiger werden muss in Zukunft die entwicklungspolitische Inlandsarbeit. Konkret hieße das: mehr Eine-Welt-Promotor*innen als professionelle Stütze für engagierte Ehrenamtliche und ein viel stärkeres Engagement in der entwicklungspolitischer Bildungsarbeit – denn die ist ganz klar Ländersache. Bildung für nachhaltige Entwicklung wird in Bayern nicht ganzheitlich genug verstanden, das Thema liegt einsam im Umweltministerium. Das Thema muss im Sinne der Sustainable Development Goals viel breiter gefasst und stärker in die Schulen, die Kitas und in die berufliche- und die Erwachsenenbildung getragen werden als bislang. Letzten Endes geht es darum, die Bürger*innen zu befähigen, mit ihrem alltäglichen Handeln weder künftigen Generationen noch Menschen in anderen Regionen unserer gemeinsamen Welt zu schaden. Das ist der wahrscheinlich wichtigste Beitrag, den Bayern leisten kann und sollte!